Mareike Bruns-Strenge – Deutsches Nachwuchs-Spieleautor*innen Stipendium 2023 - Praktikumsbericht

Durch das Nachwuchs- Spieleautor/-innen Stipendium erhielt ich die einmalige Gelegenheit, vier Wochen lang in die vielfältige Welt der Spieleindustrie einzutauchen. Für mich, als frischgebackene Spieleautorin, war dies eine wahrhaft traumhafte Chance, all meine Fragen zu stellen und hautnah zu erleben, was vom ersten Geistesblitz bis zum fertigen Spiel auf dem Tisch alles passiert.

Erst ein Jahr vor meinem ersten Spieleautorentreffen in Göttingen hatte ich die zündende Idee für mein erstes Brettspiel. Voller Tatendrang sammelte ich Ideen und bastelte eifrig Prototypen, ohne dabei einen wirklichen Plan zu haben.

Das Ergebnis: Meine Spiele waren schlichtweg zu groß, zu komplex und überladen - sowohl mit Material als auch mit Ideen. Es war einfach „zu viel von allem“. An meinem Tisch beim Autorentreffen kamen dann vorsichtige Nachfragen, ob ich denn schon mal etwas von "Kartongrößen" oder "Materialkosten" gehört hätte, denn so wäre das gar nicht produzierbar.

Das Stipendium bot mir die Möglichkeit, aus meinen Fehlern zu lernen und mein Wissen in allen Bereichen der Spieleentwicklung zu erweitern. In den vier Praktikumswochen lernte ich von erfahrenen Profis aus allen Bereichen der Spielewelt: von der ersten Idee, über die Entwicklung und dem Design bis hin zur Produktion und Vermarktung.

Und das sind die großartigen Erfahrungen die ich während dieser Zeit sammeln durfte:

Woche 1: Jens-Peter Schliemann

Meine erste Praktikumswoche führte mich zu Jens-Peter Schliemann, einem renommierten Spieleautor mit Schwerpunkt auf Kinderspiele, der mit seinem Spiel "Zauberberg" sogar den Titel "Kinderspiel des Jahres" errang.

Bereits bei der Ankunft erwartete mich eine herzliche Atmosphäre. Jens-Peter Schliemann, ein sympathischer Mann mit reichlich Erfahrung in der Spielewelt, empfing mich mit offenen Armen. Eine beeindruckende Wand voller Spiele, von ihm selbst oder in Kooperation mit anderen Autoren entwickelt, zierte sein Arbeitszimmer.

Bei einem ersten Kaffeegespräch plauderte er aus dem Nähkästchen und teilte seine Erfahrungen und Anekdoten aus der Welt der Spiele mit mir. Schon in diesem Moment war mir klar, dass diese Woche voller spannender Einblicke sein würde.

In dieser Woche lernte ich auch Julius kennen, einen weiteren Praktikanten, der ein dreiwöchiges Schulpraktikum bei Jens-Peter Schliemann absolvierte. Den Auftakt der gemeinsamen Woche bildete eine Präsentation von Jens-Peter über seinen Werdegang als Spieleerfinder. Mit offenen Worten schilderte er uns die Höhen und Tiefen seiner Karriere, gewährte Einblicke in seinen kreativen Prozess und verriet uns seine Geheimnisse für die Entwicklung guter Spiele.

Anschließend durften wir in die Praxis eintauchen und an einem Prototypen von Jens-Peter arbeiten. Gemeinsam tüftelten wir an neuen Ideen, testeten diese ausgiebig und verfeinerten das Spielkonzept.

Am nächsten Tag war es dann an der Zeit, meine eigenen Prototypen vorzustellen. Schnell wurde deutlich, dass mein Spiel mit einem „großen“ Problem zu kämpfen hatte: Es war schlichtweg zu groß für eine Spielschachtel!

Lange hatte ich mit diesem Problem gerungen, ohne eine passende Lösung zu finden. Doch gemeinsam mit Jens-Peter überlegten wir erfolgreich und entwickelten clevere Ideen, um das Spielvolumen zu reduzieren. Nach einiger Zeit des Bastelns und Tüftelns war es endlich geschafft: Mein Spiel passte nun in eine handelsübliche Schachtel, ohne dabei seinen Spielspaß einzubüßen.

Basteln an Prototypen

In den folgenden Tagen widmeten wir uns den Spielideen von Julius. Durch intensives Brainstorming und gemeinsames Entwickeln nahm seine Idee allmählich Gestalt an, und ich bin gespannt, wie sie sich in Zukunft weiterentwickeln wird.

Abgerundet wurde die Woche durch zahlreiche Spielrunden mit Jens-Peters Kreationen, die uns tiefe Einblicke in die verschiedenen Spielmechaniken und Herangehensweisen an Spieledesign ermöglichten.

Meine erste Praktikumswoche bei Jens-Peter war ein voller Erfolg. Ich konnte wertvolle Erfahrungen in der Spieleentwicklung sammeln, neue Ideen und Techniken kennenlernen und meine Fähigkeiten als Spieleautorin weiterentwickeln. Die Einblicke in die Arbeit eines erfolgreichen Spieleautors und die Möglichkeit, von seiner Expertise zu profitieren, waren für mich enorm bereichernd.

Woche 2: Hans im Glück Verlag

Meine zweite Praktikumswoche führte mich nach München zum renommierten Hans im Glück Verlag. Auch in dieser Woche war ich nicht allein, mit mir zusammen im Praktikum war Tobias Tesar, der Vorjahresgewinner des Stipendiums. In unserer Praktikumswoche tauschten wir die Rolle des Spieleautors gegen die des Redakteurs.

Unsere Aufgabe: Die Begutachtung von Spielideen, die Autoren an den Verlag geschickt hatten. Johannes Natterer, ein erfahrener Redakteur, gab uns Einblicke in die Auswahlkriterien des Verlags. Was macht eine gute Spielidee aus? Worauf wird bei der Sichtung von Einsendungen geachtet?
Dabei wurde uns klar: Perfekt muss die Idee nicht sein, aber neu, spannend und zum Verlagsprogramm passend sollte sie schon sein.

Die Ideen die wir sichteten haben uns leider nicht überzeugt. Manche Spielregeln waren unverständlich, andere klangen eher langweilig. Wenn eine Spielidee vielversprechend klingt, fordert der Verlag einen Prototypen an und dieser wird dann getestet.

Wir durften die Prototypen die es bis in den Verlag geschafft haben vorbereiten. Aufbauen, die Spielregel lesen und im Anschluss dem Team präsentieren.Gemeinsam spielten wir die Spiele durch, diskutierten Stärken und Schwächen und entschieden, ob weiteres Potenzial vorhanden war.

Leider zeigte sich auch hier oft, dass der erste Eindruck trügen kann. Manches Spiel, das auf dem Papier vielversprechend klang, entpuppte sich am Spieltisch als langweilig, vorhersehbar oder frustrierend.

So erging es uns beispielsweise mit einem Spiel, dessen Mechanik zwar innovativ wirkte, aber im Spielverlauf keinerlei Spannung aufkommen ließ. Ein anderes Spiel hingegen litt unter einem zähen Spielfluss und bot den Spielern kaum Anreize. Also wurden auch diese Ideen leider abgelehnt. Denn trotz aller Begeisterung für neue Spielideen steht am Ende immer das Spielerlebnis im Vordergrund. Ein gutes Spiel muss nicht nur originell sein, sondern auch Spaß machen und die Spieler fesseln können.

Ein weiterer Programmpunkt war der Einblick in den Onlineshop und das Ersatzteillager, das in einem ehemaligen Verlagsgebäude untergebracht ist – fast wie ein kleines Spielemuseum! Dort packten wir einige Bestellungen und durften uns das Ersatzteillager ansehen.

Zurück im neuen Verlagsgebäude waren wir im Entwicklungsprozess bereits angenommener Spiele involviert. Hierbei lag der Focus insbesondere auf dem Balancing der Spielmechaniken und dem Ausfeilen des Spielspaßes. Wir testeten verschiedene Versionen der Spiele, gaben Feedback und diskutierten mögliche Verbesserungen. Dabei lag der Fokus auf folgenden Punkten.

  • Spielbalance: Ist das Spiel fair und ausgeglichen? Haben alle Spieler die gleichen Chancen?
  • Spielspaß: Macht das Spiel Spaß? Gibt es Leerlaufphasen? Wie ist der Spielfluss?
  • Regelwerk: Gibt es noch Lücken in der Spielregel? Ist alles klar und verständlich?

Auch unsere Prototypen kamen in der Woche auf den Tisch und wurden vom Verlagsteam getestet.
Den Abschluss der Woche bildete ein Spieleabend mit gemeinsamem Essen – ein schöner Ausklang einer lehrreichen und spannenden Zeit.

Woche 3: Ravensburger Spieleverlag

Mein Praktikum beim Ravensburger Spieleverlag war eine unvergessliche Erfahrung, die mir tiefe Einblicke in die vielfältige Welt der Spiele ermöglicht hat. Gleich zu Beginn wurde ich herzlich vom gesamten Team empfangen und in einer Vorstellungsrunde lernten wir uns gegenseitig kennen.

Ein strukturierter Wochenplan mit klaren Aufgaben und Lehrgesprächen sorgte für einen abwechslungsreichen und informativen Praktikumsablauf.

Bei Ravensburger kommen viele Spielideen an, so war es dann auch meine erste Aufgabe, Prototypen zum Probe spielen vorzubereiten. Die meisten Einsendungen die ich bearbeitet habe, waren „Print&Play“ – Spiele, so druckte ich die Spielpläne und Karten aus, las mich in das Regelwerk ein und bereitete alles für eine Testrunde vor. Gemeinsam mit dem Team spielten wir das Spiel durch, welches im Anschluss einem Spannenden Bewertungssystem unterzogen wurde. Jeder macht sich seine eigenen Gedanken zu dem Spiel, dann überlegt man mit wie vielen Punkten man das Spiel bewerten möchte, wobei 0 für das schlechteste Spiel der Welt und 10 für das beste Spiel der Welt steht und schließlich legen alle gleichzeitig ihre Hände auf den Tisch und zeigen anhand ihrer Finger, Ihre persönliche Wertung für das Spiel. Erst nach der Wertung wird Kritik geäußert.

Nach den Prototypen der anderen Autoren war dann auch mein Prototyp dran und musste genauso wie alle anderen Spiele das Bewertungssystem durchlaufen. Insgesamt bekam mein Spiel eine Wertung von 5 bis 6 Punkten. Das ist jetzt noch keine Wertung die einen vom Hocker haut, aber schon mal auf einem guten Weg. Dazu bekam ich aber auch eine sehr gute Kritik, und viele Anmerkungen und Ideen, die mein Spiel noch besser machen könnten. Daran werde ich jetzt arbeiten, ein paar neue Ideen ausprobieren und weiter an meinem Spiel feilen.

Wenn ein neues Spiel auf den Markt kommt sollte es möglichst fehlerfrei sein, nicht nur das der Spielablauf reibungslos ist, auch in der Anleitung sollten sich möglichst keine Fehler verstecken. So gehörte auch das mit zu meinen Aufgaben, Spielanleitungen und Karten für ein Kinder Quiz-Spiel Korrektur zu lesen und auf Verständlichkeit zu prüfen.

Besonders wertvoll waren für mich die Lehrgespräche, die mir als angehende Spieleautorin detaillierte Einblicke in die Prozesse der Spieleentwicklung und der Produktion gaben. Diese Gespräche waren auf jeden Fall ein Highlight des Praktikums, da sie mir wertvolle Erkenntnisse für meine eigene Arbeit als Spieleautorin lieferten. In den Lehrgesprächen tauschten wir uns zu spannenden Themen wie Lizenzen, Spielentwicklung, Spielentdeckung, Grafik & Design und Spieleproduktion aus.

Lizenzgespräche:

In den Lizenzgesprächen lernte ich die faszinierende Welt der lizenzierten Spiele kennen. Es war spannend zu erfahren, welche strengen Auflagen und Vorgaben mit der Nutzung von Lizenzen verbunden sind. Man erfährt, wie wichtig es ist, die Markenidentität zu bewahren und gleichzeitig ein kreatives und ansprechendes Spiel zu entwickeln.

Spielentwicklung:

Der Einblick in den Prozess der Spielentwicklung war sehr informativ. Vom ersten eingesendeten Prototypen bis zum fertigen Spiel durchliefen wir die verschiedenen Stationen und lernten die Aufgaben und Herausforderungen der einzelnen Abteilungen kennen.

Spielentdeckung:

Die Flut an Spielideen, die täglich beim Verlag eingehen, ist enorm. Um die wahren Perlen zu entdecken, bedarf es eines geschulten Auges und einer guten Vorauswahl. Der Verlag besucht Spielemessen und pflegt den Kontakt zu Autoren, um immer wieder neue und originelle Spielideen zu finden.

Grafik & Design:

Die Grafik und das Design spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Spiels. In diesem Gespräch ging es darum, wie wichtig es ist, ein stimmiges Gesamtbild zu schaffen, das die Spielmechanik unterstreicht und die Zielgruppe anspricht.
Spieleproduktion:

Die Abteilung Spieleproduktion kümmert sich um die Umsetzung des fertigen Spiels in die Realität. Hier lernten wir, welche Faktoren bei der Auswahl der Verpackung, der Materialien und der Produktionsverfahren eine Rolle spielen.

Hier sieht man, wie eine Schachtel für ein neues Spiel entsteht:

Das allererste Memory Spiel ;.)

Funfact Ravensburger: Was ich nicht wusste ist, dass Puzzlestanzen auch heute noch von Hand gefertigt werden. Einfach aus dem Grund, weil ein Mensch ungenauer arbeitet als eine Maschine, und Ravensburger den Anspruch hat, das kein Puzzleteil an eine falsche Stelle gepuzzelt werden kann, sondern nur in die eine dafür vorgesehene Lücke passt. Hättet ihr es gewusst? ;-)

Woche 4: Spielearchiv Nürnberg

In meiner letzten Praktikumswoche ging es für mich nach Nürnberg. Im historischen Pellerhaus befindet sich das Deutsche Spielearchiv. Dieses wird auch gerne als das Spielegedächtnis der Welt bezeichnet, denn dort befinden sich mehr als 40 000 Gesellschaftsspiele aus fünf Jahrhunderten.

Gleich zu Beginn meines Praktikums gab es für mich eine Führung durch das Archiv, und ich bekam selbst einen Eindruck von dieser unglaublichen Sammlung an Spielen. Dann wurde mir gezeigt, wie neue Spiele Ihren Weg in die Sammlung finden. Die meisten Exemplare stammen aus Nachlässen von Privatpersonen, die ihre Spielesammlung dem Archiv überlassen. Mit geschultem Auge begutachten die Mitarbeiter des Archivs den Inhalt jedes Kartons. Zunächst wurde geprüft, ob das eingesendete Spiel bereits in der Sammlung vorhanden ist, neue Spiele wurden mit großer Sorgfalt registriert. Jedes Exemplar wurde sorgfältig auf fehlende Teile oder Beschädigungen untersucht. Die akribische Dokumentation jedes Spiels, inklusive Fotos und Beschreibungen, bildete die Grundlage für die spätere Katalogisierung. Nachdem jedes Spiel die verschiedenen Stationen der Eingangskontrolle durchlaufen hatte, erhielt es seinen endgültigen Platz im Archiv.

Im Archiv waren außerdem noch Exponate der Ausstellung über den Spieleautor Alexander Randolph, das war super interessant. Unter anderem war dort der Prototyp zu „Sagaland“ oder „Tempo kleine Schnecke“ zu sehen.

Auch ich durfte in meiner Woche im Spielearchiv eine kleine Ausstellung vorbereiten.Im Archiv wird gerade der Nachlass von Rudi Hoffmann, einem renommierten deutschen Spieleautor bearbeitet, dessen kreatives Schaffen bis heute zahlreiche Spieler begeistert.

Zunächst galt es, die zahlreichen Kisten des Nachlasses zu sichten und zu ordnen. Darin verbargen sich wahre Schätze: Skizzen, Entwürfe und Prototypen, die Zeugnis von Hoffmanns unermüdlicher Schaffenskraft ablegten. Voller Spannung und Neugierde tauchte ich in diese Fülle an Ideen ein.

Die Zuordnung der einzelnen Elemente stellte sich als spannende Herausforderung dar. Oftmals war es nicht eindeutig, ob eine Skizze zu einem bestimmten Prototypen gehörte oder ob eine Idee zu einem späteren Zeitpunkt in einem anderen Spiel Verwendung fand.

Besonders faszinierend waren die detaillierten Skizzen Hoffmanns, die seine genaue Vorstellung von den Charakteren und Spielwelten seiner Spiele verdeutlichten. Die Prototypen wiederum ermöglichten einen haptischen Zugang zu seinen Ideen und gaben Einblick in die Entwicklungsprozesse.

Café International: Ein Spiel nimmt Gestalt an

Ein besonderes Highlight war die Arbeit am Spiel  "Café International". Im Nachlass fanden wir einen ersten Prototypen dieses Spiels sowie zahlreiche Skizzen und Ideen zur Spielmechanik und zum internationalen Publikum. Mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail stellten wir eine Sammlung dieser Materialien zusammen, die einen umfassenden Einblick in die Entstehung des Spiels boten.

Einzigartige Erfahrungen und wertvolle Erkenntnisse.

Die vier Praktika im Rahmen des Nachwuchs Spieleautor/-innen Stipendiums haben mir eine einzigartige Möglichkeit geboten, tief in die Welt der Spieleentwickling einzutauchen. Die vielfältigen Erfahrungen und Eindrücke, die ich während der Wochen sammeln konnte,haben mich als angehende Spieleautorin enorm weitergebracht. Ich bin allen Praktikumsgebern für die Möglichkeit, Einblicke in ihre Arbeit zu gewinnen, und für die wertvollen Tipps und Ratschläge sehr dankbar!